Skip to the content

Katja Diehl im Espresso-Interview

Katja Diehl ist Inhaberin von She Drives Mobility und Brand Ambassador bei der door2door GmbH.

 

Was war dein schönstes Mobilitätserlebnis? 

Die Fahrt in einem Chicken Bus in Costa Rica. Es liefen tatsächlich Hühner umher und es wurden Speisen geteilt. Und es war ein Abenteuer, denn es gab auf den sehr engen Serpentinen keine Leitplanken und an manchen Stellen musste sich geeinigt werden, wer jetzt rückwärtsfahren muss, weil nicht gleichzeitig ein Bus und ein Auto auf die Strasse passten. Mir gefiel die Begegnung mit anderen Menschen und Mobilität einfach als Nutzen. Denn ich glaube, der private Autobesitz verhindert genau das: Anderen Menschen offen und freundlich zu begegnen. Daher freue ich mich auf eine Zukunft, die im Sinne von Autobesitz autofreier wird.

Was war dein schlimmstes Mobilitätserlebnis? 

Die Fahrt im SUV eines Carsharing-Anbieters. Ich nutze natürlich auch manchmal ein Auto. Deswegen muss ich aber keines besitzen. Im Gegenteil: Ich finde es eine grosse Entlastung, mich nicht kümmern zu müssen, sondern nur zu nutzen, wenn ich mal das Bedürfnis habe. Leider haben sich die kommerziellen Carsharing-Anbieter aus der Autobranche angewöhnt, hier in Hamburg nicht mehr auf möglichst kleine Fahrzeuge zu setzen. Sie setzen böse gesagt wie jeder gute Dealer auf den Anreiz, mehr zu wollen. Dementsprechend ist es schwer, schnell an einen Smart zu kommen - mein Favorit im Strassenverkehr. Ich musste aber dringend Katzenstreu besorgen und so buchte ich nach einer Stunde Wartezeit und immer wieder alle Angebote anschauend, ein unfassbar riesiges Gefährt, das in den engen Strassen meines Wohnviertels ständig piepte und immer mit Kameras arbeitete, weil er so unübersichtlich war. FURCHTBAR!

Weshalb interessierst du dich für die Mobilität?

Ich habe bei Bahnen, Stadtwerken und Logistikern gearbeitet, Carsharing in Städten eingeführt und Mobilitätskampagnen von Mittelzentren begleitet. Mich hat immer fasziniert, hinter die Kulissen der Dienstleistung zu schauen. Ich bin Nachtexpress gefahren, habe um halb vier Uhr morgens in der Leitstelle gestanden und den Kollegen über die Schulter geschaut, einen Bus (Gott sei Dank nur auf dem Betriebsgelände) gefahren und im Führerhaus einer Bahn den Tote-Mann-Knopf gedrückt. Startend als Journalistin bin ich in die PR gewechselt, war Pressesprecherin und Marketingleiterin. Das alles zusammen war in der Mobilität schon immer viel spannender, als für klassische Konsumgüter Werbung zu machen. Ich bin Fan öffentlicher, geteilter Mobilität - das System der Dinge fasziniert mich.

Welches sind deine aktuellen Projekte?

Ich hoffe, in diesem Jahr ein Kinderbuch veröffentlichen zu können, das die Köpfe öffnet, den Mobilitätswandel als Gewinn für alle zu begreifen. Menschen, die ein Auto fahren, haben Privilegien, die allen gehören sollten - vor allem in der Stadt. Hier geben wir Menschen ohne Auto Raum, gute Luft, Ruhe und Gesundheit an die Menschen mit Auto ab. Dabei ist es unheimlich schwer, mit den anderen Erwachsenen, die ein Auto besitzen, über eine Veränderung zu sprechen. Denn die Privilegien des Autos werden als Norm missinterpretiert. Auf diese Situation mit den Augen eines Kindes zu schauen, ist für mich eine starke Methode, da nicht sofort Abwehr erfolgt. Ich hoffe, damit einen Perspektivenwechsel anbieten zu können, der Veränderung einleitet.

Welches sind die grössten Herausforderungen in der Mobilität in den nächsten 10 Jahren? 

Menschen aus den Autos zu holen, Autos einfach als Ding zu sehen, Verhaltensänderung einzuleiten. Emotional ist gerade in Deutschland die Bedeutung des Autos sehr überhöht. Hinter diesem stehen Arbeitsplätze, Wirtschaftskraft, Identifikation und Status. Aber auch Sicherheit und Verfügbarkeit. Dennoch kann es nicht genügen, nur neue Alternativen zu schaffen. Das sehe ich hier in Hamburg jeden Tag. Trotz einer grossen Vielfalt an Alternativen stehen in meinem Wohnviertel viele Bullis und Range Rover tage- bis wochenlang unbenutzt herum. Kostenlos. Das muss sich ändern genauso wie die Qualität der anderen Angebote. 

Wärst du die Königin der Schweiz – was würdest du an der Mobilität ändern? 

Ich würde jenen, die sich schon jetzt klimagerecht zu Fuss, per Velo, per Zug und Bus bewegen, einen Bonus zahlen. Zudem würde ich eingeschränkten Menschen alternative Angebote kostenlos anbieten und tonnage-bezogen Parkplatzgebühren erheben. Ich würde Strassenfeste arrangieren, die Lust auf autobefreiten Stadtraum machen - wöchentlich. Ich würde hinschauen, wo elektrische Räder Gesundheit und MitarbeiterInnenmobilität verbessern und diesen Ansatz belohnen. Wer sein Auto abschafft, erhält ein Jahr das GA und ein Carsharing-Budget. Und na klar: Nachtzüge weiter ausbauen. Zug statt Flug. Ein Traum!

 

Vernetze dich mit Katja Diehl auf LinkedIn.

Über den Autor

Innolab Smart Mobility

Mitglied werden

Werde Mitglied bei Innolab Smart Mobility!