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Lukas Ballo im Espresso-Interview

Lukas Ballo absolviert einen PhD am Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme an der ETH Zürich und war vorher als Head of Mobility Data Analytics bei BOND tätig.
Was war dein schönstes Mobilitätserlebnis? 

Als ich beim E-Bike-Sharing-Unternehmen BOND arbeitete, musste ich mal einspringen, um eine dringende Störung auf den Bikes zu beheben. Anstatt im Büro zu sitzen, fuhr ich auf dem E-Bike durch die Stadt von einem Bike zum nächsten. Es war ein perfekter sonniger Tag, warme Temperatur, wunderschöne Grünflächen und überall Menschen auf den Strassen – ein echter Traum der Urbanität. Dank der schnellen Bewegung kann man in kurzer Zeit viel erledigen und erleben. In solchen Momenten erfährt man das tiefe Gefühl, wie schön und spannend unser Leben dank der Mobilität ist. Leider ist BOND seit kurzem nicht mehr aktiv. Die Zeit dort war aber sehr spannend und erfahrungsreich.

Was war dein schlimmstes Mobilitätserlebnis? 

In Kambodscha fuhren wir mal mit dem Bus und während einer 10-stündigen Reise (anstatt 6 gem. Fahrplan) sind wir zweimal mit Autos kollidiert. Nach dem zweiten Unfall konnte der Bus nicht mehr weiterfahren und wir mussten uns auf einer dunklen Landstrasse eine alternative Beförderung suchen. Mit schlechter Sicherheit und fehlender Kundeninformation kann die Mobilität also auch zum Albtraum werden.

Weshalb interessierst du dich für die Mobilität?

Mich fasziniert die Funktionsweise von Städten und die Bewegung als zentraler Motor ihres Lebens. Bei uns in Mitteleuropa ist es aber schwierig, Beispiele von einer echt starken Urbanität zu erleben – schliesslich sind unsere Städte relativ klein und viele von uns leben eher in der Agglomeration. Erst in Singapur habe ich gemerkt, welche spannenden Fragestellungen es in den Städten und bei der Mobilität gibt. Das hat mich motiviert, sich mit der Mobilität zu befassen. In meinem Studium habe ich Architektur mit der Verkehrsplanung verbunden und versuche, die Städte als lebende Organismen mit festen und beweglichen Teilen zu verstehen.

Welches sind deine aktuellen Projekte?

Vor einigen Tagen bin ich von einer Studienreise über diverse Städte in der Türkei und USA zurückgekommen. Überall sieht man, wie die Pandemie zur Verstärkung der bisherigen Probleme führte: Mehr Stau, mehr Abgase und grössere Unterschiede zwischen reich und arm. Die Spannung wächst und ein Trendwechsel ist unabdingbar. Wir brauchen neue Lösungen genau jetzt. Nun beginne ich an der ETH eine Doktorarbeit über die Mikromobilität. Zusammen mit meinen Kollegen untersuchen wir die Frage, welchen Beitrag E-Bikes, E-Trottis und andere kleine Fahrzeuge zur Lösung unserer Verkehrs- und Nachhaltigkeitsprobleme leisten (oder nicht leisten) können. Zudem geht es darum, wie müsste eine Stadt der Zukunft aussehen, wo kleine und Umweltfreundliche Fahrzeuge eine deutlich attraktivere Alternative zum Autofahren darstellen.

Welches sind die grössten Herausforderungen in der Mobilität in den nächsten 10 Jahren? 

Die Herausforderungen kann man in drei Punkten zusammenfassen:

  • Bekämpfung des Klimawandels und Reduktion der lokalen Umweltbelastung
  • Bevölkerungswachstum in den Städten und damit verbunden gestiegene Anforderungen an die Verkehrssysteme
  • Gerechter Zugang zur Mobilität und zum öffentlichen Leben für alle Bevölkerungsgruppen, vor allem in den amerikanischen Städten
Wärst du der König der Schweiz – was würdest du an der Mobilität ändern? 

Ich würde in der Raumplanung ansetzen und sicherstellen, dass wir unsere Siedlungsstrukturen besser gestalten. Einerseits würde ich einzelne Orte massiv verdichten, andererseits eine weitere Ausdehnung der Siedlungsfläche vermeiden. In solchen Strukturen setzt sich eine nachhaltige und effiziente Mobilität automatisch durch. Dank höherer Dichte muss man kleinere Distanzen zurücklegen, um alle nötigen Ziele zu erreichen. Zum Einkaufen, Freunde treffen oder arbeiten reicht dann häufiger das Velo oder die eigenen Beine. Zum Beispiel in Singapur kann man zu Fuss 50’000 Menschen besuchen, in Barcelona sogar 80’000. Zwischen den Zentren lassen sich wiederum nachhaltige Hochgeschwindigkeitsbahnen betreiben, weil sich genug Menschen finden, die genau die gleiche Strecke zurücklegen wollen. So bekämpfen wir den Klimawandel, befreien die Menschen vom Stau und sichern für alle Bevölkerungsschichten einen gerechten Zugang zum öffentlichen Leben.

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